06 Feb 2019

Einstellung von lebensverlängernden Maßnahmen – eine Patientenverfügung wirksam und bindend

Der Bundesgerichtshof beschäftigte sich wiederholt mit den Voraussetzungen, die eine Patientenverfügung in Bezug auf das Abbrechen von Lebenserhaltenden Maßnahmen, einhalten muss. Die Ergebnisse wurden im Beschluss vom 14.11.2018 – XII ZB 107/18 veröffentlicht.

Der Fall: Die heute fast 80-jährige Betroffene befindet sich, seit einem Schlaganfall im Jahr 2008 und einem hypoxisch bedingten Herzstillstand, im Wachkoma. Ihre Versorgung mit Nahrung und Flüssigkeit erfolgt seither über eine Magensonde. 1998 unterschrieb die Betroffene eine Patientenverfügung. Diese beinhaltete, dass wenn der Fall eintritt, dass es unwahrscheinlich wirkt, dass sie das Bewusstsein zurückerlangt oder bedingt durch einen Unfall oder eine Krankheit ein dauerhafter Schaden am Gehirn verbleibe, sie keine lebenserhaltenden Maßnahmen wünscht. Zusätzlich äußerte sie den Wunsch, nicht künstlich ernährt zu werden und für den Fall lieber zu sterben, häufig gegenüber der Familie und weiteren Dritten. Sie fühlte sich durch die erwähnte Patientenverfügung abgesichert. Einen Monat nach dem Schlaganfall erhielt die Betroffene kurzzeitig die Möglichkeit zu sprechen. Auch hier äußerte sie den Wunsch zu sterben eindeutig. Vom Sohn angeregt, wurden 2012 der Ehemann der Betroffenen sowie der Sohn als Betreuer festgelegt, welche alleinvertretungsberechtig waren. Seit dem Jahr 2014 ist der Sohn der Betroffenen, einvernehmlich mit dem behandelnden Arzt, aufgrund der Patientenverfügung zu dem Entschluss gekommen, dass es besser sei, die Versorgung mit lebenserhaltenden Maßnahmen, einzustellen. Doch der Ehemann der Betroffenen war gegenteiliger Ansicht.

Nun leitete der Sohn der Betroffenen, als gesetzlicher Vertreter, rechtliche Schritte ein. Den ersten Antrag, auf Beendigung der lebensverlängernden Maßnahmen, lehnte das AmtsG ab. Auch eine gegenwirkende Beschwerde der Betroffenen wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Als diese Entscheidung durch den Bundesgerichthof aufgehoben sowie an das Landgericht zurückgewiesen wurde, entschied sich das Selbige einen Sachverständigen zur Erstellung eines Gutachtens hinzuzuziehen. Es sollte nun die Frage geklärt werden, ob der Zustand der Betroffenen den Angaben in der Patientenverfügung entspricht. Nach einer Erläuterung des Gutachters wies das Landgericht die Beschwerde zurück, mit der Aussage, dass eine Genehmigung des Gerichts nicht notwendig sei. Eine erneute rechtliche Beschwerde des Ehemannes gegen diese Entscheidung, zeigte sich erfolglos.

Laut Gesetz wird zur Einstellung lebenserhaltender Maßnahmen, keine betreuungsgerichtliche Erlaubnis benötigt, wenn der Betroffene seinen eigenen Willen, in einer anwendbaren Patientenverfügung (§ 1901 a Abs. 1 BGB) festgehalten hat (§ 1904 Abs. 2 BGB). Soll dennoch ein Gericht einbezogen werden, da ein Beteiligter Zweifel an der Anwendbarkeit der Patientenverfügung zeigt und dieses zu dem Urteil kommt, dass eine bindende Patientenverfügung vorliegt, muss es klarstellen, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht benötigt wird (Negativattest). Dem BGH zufolge, kommt einer Patientenverfügung nur dann eine bindende Wirkung zuteil, wenn erkennbar ist, in welcher direkten Behandlungssituation eine Maßnahme getätigt oder unterlassen werden soll. Eine Überspanntheit der Anforderungen dürfe jedoch auch nicht vorliegen. Es sollte lediglich ein konkreter Wille deutlich gemacht werden, wobei allgemeine Aussagen, wie zum Beispiel der Wunsch nach einem würdevollen Ableben, nicht ausreichend sind. So gilt auch die Formulierung, dass „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ gewünscht werden, als zu allgemein und damit nicht ausreichend konkret.

Ob im Einzelfall eine Patientenverfügung mit der notwendigen Konkretisierung vorliegt, ist beispielsweise unter Verwendung der beiliegenden Erklärung zu ermitteln. Im hier dargelegten Fall wurde vom Senat im Beschluss vom 08.02.2017 (FamRZ 2017, 748) bereits erläutert, dass eine notwendige Konkretisierung vorlag, da die Betroffene eine medizinisch eindeutige Situation gekennzeichnet hat, sowie eine ausreichend konkrete Lebens- und Behandlungssituation aufgeführt hatte. Da aufgrund des hinzugezogenen Sachverständigen, ein Zustand von schwerster Gehirnschädigung sowie keine Aussicht auf Besserung oder Umkehrung der Situation vorliegt, gilt die Patientenverfügung anhand dieser Vorgaben als wirksam. Zusätzlich prüfte das Landgericht mit der nötigen Sorgfalt, ob es einer Zustimmung der Betroffenen bedarf, eine Einstellung der lebensverlängernden Maßnahmen zu erwirken. Letztendlich erfolgte noch eine Untersuchung, ob die Ausführung „aktive Sterbehilfe lehne ich ab“, als Hinweis zu deuten ist, dass lebenserhaltende Maßnahmen nicht eingestellt werden sollten. Doch diese Frage konnte negativ beantwortet werden. Da nach einer umfassenden Auseinandersetzung festgestellt wurde, dass die Betroffene eine wirksame Patientenverfügung verfasst hatte, ist eine Einwilligung des Gerichts zur Einstellung der lebensverlängernden Maßnahmen nicht notwendig.

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