Pflichtteil bei Schenkungen – Welche Rechte haben enterbte Erben?

Schenkungen zu Lebzeiten sind ein beliebtes Mittel, um das Erbe frühzeitig zu regeln oder gezielt Vermögen zu verteilen. Doch was passiert, wenn durch solche Schenkungen der Pflichtteil anderer Erben geschmälert wird? Kann ein enterbter Pflichtteilsberechtigter dennoch seinen Anspruch geltend machen? In diesem Artikel beleuchte ich das Pflichtteilsrecht im Zusammenhang mit Schenkungen und klären, welche Möglichkeiten Betroffene haben.
Foto Dr. Christopher Kasten Rechtsanwalt Schöneberg
Autor: Dr. Christopher Kasten
Position: Fachanwalt für Arbeitsrecht

Pflichtteilsrecht und Schenkungen – Grundsätzliches

Das deutsche Erbrecht sichert nahen Angehörigen einen Pflichtteil, selbst wenn sie im Testament nicht berücksichtigt wurden. Pflichtteilsberechtigt sind nach § 2303 BGB:

  • Kinder des Erblassers (inklusive adoptierter und unehelicher Kinder)
  • Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner
  • Eltern des Erblassers, falls keine Nachkommen existieren

Doch was passiert, wenn der Erblasser sein Vermögen bereits zu Lebzeiten durch Schenkungen reduziert hat? In solchen Fällen können Pflichtteilsberechtigte unter bestimmten Voraussetzungen eine Pflichtteilsergänzung nach § 2325 BGB verlangen.

 

 

Pflichtteilsergänzungsanspruch – Was bedeutet das?

Wurden durch Schenkungen die Erbmasse und damit der Pflichtteil geschmälert, kann ein enterbter Pflichtteilsberechtigter verlangen, dass diese Schenkungen bei der Berechnung seines Pflichtteils anteilig berücksichtigt werden. Dies nennt sich Pflichtteilsergänzungsanspruch.

Wie der Pflichtteilsergänzungsanspruch berechnet wird

Die Berechnung erfolgt auf Basis eines fiktiven Nachlasses. Der Pflichtteil wird so berechnet, als ob die Schenkung nie stattgefunden hätte.

Dabei gilt die Abschmelzung Regel:

10-Jahresfrist

Nach zehn Jahren entfällt die Anrechnung einer Schenkung vollständig.

Anrechnung im ersten Jahr

Innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall wird die Schenkung zu 100 % auf den Erbteil angerechnet.

Jährliche Reduzierung

Für jedes weitere Jahr verringert sich der angerechnete Anteil der Schenkung um 10 %, bis nach zehn Jahren keine Anrechnung mehr erfolgt.

Ausnahme

Hat der Erblasser einem Ehegatten eine Schenkung gemacht, beginnt die 10-Jahres-Frist erst mit der Auflösung der Ehe.

 

Welche Schenkungen können ergänzt werden?

Nicht jede Zuwendung des Erblassers fällt automatisch unter den Pflichtteilsergänzungsanspruch. Entscheidend ist, ob es sich um eine wirkliche Schenkung handelte oder der Erblasser sich weiterhin Vorteile aus dem Geschenk gesichert hat.

Beispiele für anrechenbare Schenkungen:

  • Immobilienschenkungen ohne Gegenleistung
  • Geldschenkungen in größerem Umfang
  • Beteiligungen an Unternehmen

Nicht anrechenbar sind:

  • Pflegeleistungen oder Unterhaltszahlungen
  • Geschenke zu besonderen Anlässen (z. B. Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenke)
  • Spenden an gemeinnützige Organisationen

Beispielrechnung zur Pflichtteilsergänzung

Ein Erblasser hat vor 5 Jahren seinem Sohn eine Immobilie im Wert von 500.000 Euro geschenkt. Er hinterlässt eine Tochter, die enterbt wurde, aber pflichtteilsberechtigt ist. Wie viel kann sie fordern?

  1. Da die Schenkung vor 5 Jahren erfolgte, wird sie noch zu 50 % angerechnet (Abschmelzung 10 % pro Jahr).
  2. Die fiktive Erbmasse erhöht sich um 250.000 Euro (50 % von 500.000 Euro).
  3. Der Pflichtteil der Tochter beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, also 25 % der fiktiven Erbmasse.
  4. Die Tochter kann somit 62.500 Euro als Pflichtteilsergänzung verlangen.

Wie kann man den Pflichtteil durch Schenkungen reduzieren?

Ein Erblasser kann versuchen, das Pflichtteilsrecht durch gezielte Schenkungen zu umgehen. Doch es gibt Möglichkeiten, dies zu verhindern:

Ratenweise Schenkungen

Anstatt eine große Summe auf einmal zu verschenken, kann man jährlich Beträge unterhalb der relevanten Freibeträge verschenken.

Leibrente oder Wohnrecht

Wenn der Erblasser weiterhin in der verschenkten Immobilie lebt oder eine Rente daraus erhält, beginnt die 10-Jahres-Frist nicht zu laufen.

Erbverzichtsvertrag

Pflichtteilsberechtigte können gegen eine Abfindung auf ihre Ansprüche verzichten.

Schenkungen zu Lebzeiten können den Pflichtteil erheblich beeinflussen. Pflichtteilsberechtigte haben jedoch das Recht, eine Ergänzung ihres Pflichtteils zu fordern, falls das Erbe durch Schenkungen geschmälert wurde. Dank der Pflichtteilsergänzung können solche Vermögensübertragungen rechtlich berücksichtigt werden.

Kostenlose Erstberatung

Wenn Sie vermeiden möchten, dass Ihr Pflichtteil reduziert wird, sollten Sie sich frühzeitig juristisch beraten lassen. Als Fachanwalt für Erbrecht in Berlin stehe ich Ihnen für alle Fragen rund um das Pflichtteilsrecht gerne in einem Erstgespräch zur Verfügung.

Rechtsanwalt
Dr. Christopher Kasten

FAQ – Pflichtteil bei Schenkungen

 

Laut deutschem Recht haben Geschwister kein Recht auf einen Pflichtteil. Weitere Informationen zum Thema finden Sie hier in unserem Ratgeber Pflichtteil für Geschwister.
Ja, auch enterbte Kinder behalten ihren Pflichtteilsanspruch. Wurden Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers vorgenommen, kann zusätzlich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch bestehen, um das reduzierte Erbe auszugleichen.
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch greift, wenn Schenkungen den Nachlass vermindert haben. Der Pflichtteilsberechtigte kann verlangen, dass bestimmte Schenkungen rechnerisch dem Nachlass wieder hinzugerechnet werden, um seinen Anspruch korrekt zu berechnen.
Die Anrechnung einer Schenkung reduziert sich mit jedem Jahr nach der Schenkung um 10 %. Nach zehn Jahren wird sie nicht mehr berücksichtigt – es sei denn, der Erblasser hat sich Vorteile wie ein Wohnrecht gesichert.
Ja. Wenn der Erblasser weiter in der geschenkten Immobilie wohnt oder sich ein Wohnrecht gesichert hat, gilt die Schenkung nicht als vollständig vollzogen – und die 10-Jahresfrist beginnt noch nicht.
Beispielsweise größere Geldbeträge oder Immobilienübertragungen ohne Gegenleistung zählen dazu. Auch Unternehmensanteile können relevant sein – wenn sie unentgeltlich übertragen wurden.
Nein, solche sogenannten Gelegenheitsgeschenke sind in der Regel nicht relevant. Sie gelten nicht als schenkungsrelevant im Sinne des Pflichtteilsergänzungsanspruchs.
Teilweise. Zwar lässt sich der Pflichtteil nicht vollständig umgehen, aber durch geschickte Gestaltung – wie jährliche kleinere Schenkungen oder Erbverzichtsverträge – lässt sich der Einfluss begrenzen.
Mit einem notariellen Erbverzichtsvertrag kann ein Pflichtteilsberechtigter gegen eine Abfindung auf seinen Pflichtteil verzichten. Das schafft klare Verhältnisse und rechtliche Sicherheit.
Lassen Sie sich von einem spezialisierten Anwalt beraten. Für die Berechnung benötigen Sie Informationen über das Erbe und eventuelle Schenkungen. Ihr Anspruch ist durchsetzbar – aber oft mit Aufwand verbunden.
Sobald Sie vom Erbfall erfahren und den Verdacht haben, dass Schenkungen Ihr Erbe geschmälert haben, sollten Sie sich juristisch beraten lassen – idealerweise innerhalb weniger Monate nach dem Todesfall.
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